Einweihung des Gedenksteines zur Erinnerung an die früheren Bewohner des Kreises Elchniederung am 1. August 2014
Es war schon im Jahr 2013 geplant worden, einen Gedenkstein zur Erinnerung an die früheren Bewohner der Elchniederung vor der Kirche in Heinrichswalde (heute Slawsk) aufzustellen. Nachdem unser Museumsleiter, Herr Kent, ein besonders schönes Exemplar gefunden hatte, begannen die Überlegungen und Planungen durch unseren leider viel zu früh verstorbenen Geschäftsführer Hartmut Dawideit. Er stimmte mit der Verwaltung von Slawsk (Heinrichswalde) den Wortlaut auf der Tafel des Steins auf Deutsch und Russisch ab und verhandelte mit einem Steinmetz aus Heinrichswalde über die erforderliche Arbeit und die Kosten hierfür. Es wurde sich schließlich für folgenden Text entschieden:
Unvergessene Heimat Ostpreußen
Zum Andenken an die hier früher lebenden Bewohner der Elchniederung
Am Freitag, dem 01. 08. 2014 um 16.30 Uhr wurde nun die Stein-Enthüllung und Einweihung vorgenommen. Es waren hierzu von russischer Seite erschienen:
Der Verwaltungs-Chef - Herr Artjukow, der Landrat - Herr Lawrikeitis und der Bürgermeister - Herr Malakov.
Die deutsche Seite war vertreten durch unseren Kreisvertreter - Manfred Romeike und unseren Kirchspielvertreter - Peter Westphal mit seiner ganzen Bus-Gesellschaft.
Es waren zwar kein Pfarrer, kein Chor und keine Veteranen gekommen, aber viele der jetzigen Bewohner von Slawsk (Heinrichswalde).
Nach einer Gedenkminute für Hartmut Dawideit, unserem ehemaligen Geschäftsführer und stellvertretenden Vorsitzenden der Kreisgemeinschaft Elchniederung, wurde der noch mit der Fahne der Elchniederung verhüllte Stein eingeweiht. Anschließend wurde ein Kranz niedergelegt. Eine Ansprache hielten Herr Artjukow und Manfred Romeike über die Bedeutung des Gedenksteins und die Geschichte der Elchniederung. Die beiden Ansprachen wurden jeweils in Deutsch und Russisch übersetzt. Zum Schluss wurde das Ostpreußenlied von vielen der Anwesenden mitgesungen.
Anneliese Romeike
Einweihung des Gedenksteines zur Erinnerung an frühere Bewohner |
Der Elch - Bestände in Ostpreußen von 1848 bis heute |
Erinnerung an das ostpreußische Pferd - Remontekommission |
Die Tilsiter Brücken im Wandel der Zeit - Hans Dzieran |
Weihnachtszeit und der Elch, unser Wappentier von D. Ruppenstein |
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Der Elch das Wappentier unseres Heimatkreises und der Kreisgemeinschaft
Die „Preußische Allgemeine Zeitung“ Nr. 5 vom 10. November 2017 (Ostpreußenblatt/Heimatarbeit) veröffentlichte nachfolgende Artikel, den wir für Sie entnommen haben.
Der niedersächsische leitende Forstdirektor Horst F. Buschalsky (62) ist ein profunder Kenner der einzigartigen Natur Ostpreußens, ihrer Tiere und der dortigen Jagdverhältnisse. Seinen Vortrag anlässlich der Gedenkveranstaltung zur Gründung des Ostpreußischen Jagdmuseums vor 60 Jahren (siehe PAZ 43, Seite 19) veröffentlicht die PAZ in mehreren Teile.
Nachfolgend die dritte Folge von „Jagd und Jäger in Ostpreußen - einst und heute“:
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Aus der pflegenden und hegenden Tätigkeit heraus, verbunden mit praktischem, wissenschaftlich fundiertem Können und Wissen, entwickelte sich über vier Förster- und Jägergenerationen in Ostpreußen das, was an Wildbeständen und Waldbildern seit Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1945 aufgrund des Erfolges weit über die Provinzgrenzen hinaus anerkennend bewundert wurde. Dabei spielen zwei Namen eine große Rolle: das ist der Elchwald und das ist die Rominter Heide. Aber zurück zur Ausgangslage am Ende des 18.Jahrhunderts.
Wenn das Elchwild sich vor der ausbreitenden Landwirtschaft in den zurückliegenden Jahrhunderten besser halten konnte als andere Großwildarten, so liegt das nicht daran, dass es von den Wilderern und Jägern weniger geschätzt wurde; aber sein natürlicher Lebensraum warsehr viel schwerer zugänglich und es war als Verzehrer von Weichholz nicht gezwungen, auf offenes Geläne zu wechseln. Weniger vor der Ausbreitung der Landwirtschaft als vielmehr vor der Niederwald- und Moorentwässerung und den damit verbundenen Baumartenwechsel wich der Elch zurück. So ist er 1725 noch als Standwild in allen Wäldern östlich der Passarge (diese fließt von Osterode nach Norden beiFrauenburg in das Frische Haff) und westlich in den Waldgebieten um Osterode anzutreffen.
Unter König Friedrich I. (1701 - 1713) werden in der Kaproner Heide vor den Toren Königsbergs in seiner Regierungszeit viele Hundert Elche erlegt und FriedrichWilhelm I. lässt dort 1718 40 Stück und 1731 56 Stück zur Strecke bringen. Auch 1780 ist das Elchwild in seinemVerbreitungsgebiet von 1725 noch Stand-oderWechselwild.In der Folge geht es aber rasch abwärts. In den Jahren 1790 bis 1800 verschwindet der Elch im Westen ganz. 1840 fällt der letzte masurische Elch, 1842 der letztein Preußisch Eylau.1852 sind die letzten Reste zwischen Angerburg und Goldap verschwunden, eben nicht nur, weil er scharf bejagt wurde, sondern vornehmlich als .Folge der Umwandlung der bis dahin vorkommenden Moore in Wiesen und der Nieder- und Bruchwälder in Wirtschaftswälder mit entsprechendemBaumartenwechsel.
In der zusätzlichen Folge von Siebenjährigem Krieg, der napoleonischenBesetzungundderRevolution 1848 schrumpft der Elchbestand von 500 bis 600 Stück Mitte des 18. Jahrhunderts auf nicht mehr als elf nach einer Zählung von 1849. Von diesem niedrigsten Bestand erholte sich das Elchwild durch Schonung und Schutz bis auf 300 Stück im Jahre 1886. Zur Jahrhundertwende 1900 gab es bereits 390 und1905bereitswieder700Elche.BiszumErstenWeltkriegstiegdie Zahl auf 800 an,umdurch Kriegseinwirkung und Wilderei nach 1918 wieder auf 230 zurück zugehen. DerVorsitzendederostpreußischenJägerschaft,Manfred von Kobylinskiregte in den 1920erJahren einElchhegeprogramm an.Forstleuteausder Elchniederung schlossensich dieser Forderung an.Die sozialdemokratischeRegierung in Ostpreußen unterMinisterpräsidentOttoBraun, der ein begeisterter Jäger war, erließ für das Elchwild zwischen 1920 und 1925 Schonverordnungen. Eine von Forstmeister Schirmacher, Oberförster von Nemonien, durchgeführte Zählung ergab einen Elchbestand von weniger als 200 Stück, worauf der Oberpräsident eine dreijährige Schonung verfügte. So stieg der Wildbestand bis 1925 wieder auf 500 Stück an. Danach wurde in größeren Waldgebieten wieder eine moderate Bejagung zugelassen, weil die auch den Verbiss- und Schälschaden zu tragen hatten. So erhöhte sich der Bestand bis 1932 auf rund 1000 Stück und darüber hinaus auf 1500 Stück. Damit war der Elchbestand in der ostpreußischen Elchniederung gesichert. Ansonsten gab es in Deutschland keine Elche mehr.
So fällt der Höhepunkt der Elchhege in die letzten 25 Jahre von 1925 bis 1945. Danach beendet zugleich das Ende des Zweiten Weltkrieges das wertvolle Werk selbstloser Jäger und Förtster.
An einige Namen sei hier erinnert: es sind die Hegemeister Rodewald (Tawe), Riedel (Inse), Knoefel (Pait), Wallin (Gilge), und die Förster Weber (Kastaunen II), Quednau (Siberien), Schulz (Matzgirren), der Oberförster Meyer (Tawellinken), der Waldforstmeister Wrobel, der Elchjägermeister Kramer (Pait) und der Oberförster Orlowski (Tawellingken). Sie und alle Ungenannten haben sich um den Erhalt des Elchwaldes in Ostpreußen äußerst verdient gemacht. Das kann mal allerdings nicht vom letzten Jagdherrn im Elchwald sagen. Der sogenannte „Reichsjägermeister“ Göring und seine Jagdgäste, betrieben die Jagd auf kapitale Elchschaufler ungezügelt und maßlos. Die Nutzung der Elchschaufler war nicht mehr nachhaltig. Viele Hirsche wurden zu früh gestreckt; der zahlenmäßige Bestand konnte dadurch aber nicht mehr negativ beeinflusst werden. Aber qualitativ wurde dem Elchwild Schaden zugefügt. Besonders begehrt waren die kapitalen Schaufler, von denen es aber zu wenige gab, so dass viele Elche viel zu jung gar nicht die obere Altersklasse erreichten.
1945 war das alles zu Ende. DerElchbestandwurde·wieimmer nach Kriegen und menschlichen Katastrophen zusammengeschossen. Direkt nach dem Krieg wurde derElchbestand von russischen Soldaten ausgerottet. Seit Ende der 1950er Jahre sind aus Litauen wieder Elche in den Elchwald zugewandert. Ferner wurden inden1960erJahrenaus Weißrussland und dem Moskauer Gebiet Elche wiedereingebürgert. Am Ende diesesJahrzehntssollen wieder 500 Elche vorhanden gewesen sein, so dass seit 1969 auch wieder gejagt werden durfte. In den Folgejahren vermehrte sich das Elchwild bis in die 1980er Jahre sehr stark auf 1800 Stück. 2005 wurde ein Bestand von 1300 Stück angegeben und ein jährlicher Abschuss von 200 bis 250 Stück.
Der Forstprofessor Horst Kramer aus Göttingen, Sohn vom letzten Elchjägermeister Hans Kramer, schildert die heutige Situation in Nordostpreußen in der vierten erweiterten Auflage 2006 des Buches seines Vaters „Elchwald - einst und heute" wie folgt:
,,Der heutige Zustand des Elchwaldes. seiner Landschaft, seiner Wälder und seines Wildbestandes muss nicht nur den Forstmann sehr betrüben. Eine jahrzehntelange Aufbauarbeit einer naturgerechten und wirtschaftlich erfolgreichen Forstwirtschaft, verbunden mit einem die Belange des Waldbaus berücksichtigenden, weltweitbekannten Jagdbetrieb, ist vernichtet worden. Der Besucher des Elchwaldes und seiner Umgebung ist nach wie vor bestürzt über die Situation der Dörfer und der Land- und Forstwirtschaft. ...
Während bis vor Kurzem alle Erinnerungen an die deutsche Vergangenheit beseitigt wurden, lässt man sie heute nicht nur in Königsberg wiederaufleben. Im Elchwald wurde neben der Renovierung und Unterhaltung einiger alter Forstgehöfte vor allem die Instandsetzung der Gebäude von Pait (ein ehemaliges kaiserliches Jagdhaus) zügig in Angriff genommen und zum Teil bereits abgeschlossen." Mehr über den Elch findet Ihr im folgenden Beitrag: Dettmar Ruppenstein
Erinnerung an das ostpreußische Pferd
Das Heeres-Remonteamt - Neuhof-Ragnit
Wie kein anderes deutsches Pferd verkörperte das ostpreußische Warmblut mit seiner ranken Gestalt, seinen langen, schlanken Beinen, der breiten Brust, dem schön geschwungenen Hals und seinem zierlichen Kopf Adel und Schönheit. Es zeichnete sich durch Zähigkeit, Härte, Ausdauer und Genügsamkeit aus und stellte damit einen Pferdetypus dar, der den besonderen klimatischen Verhältnissen Ostpreußens in idealer Weise entsprach.
Es war der Tierliebe und Pferdeleidenschaft der ostpreußischen Gutsbesitzer und Züchter zuzuschreiben, dass solche herrlichen Geschöpfe in fortgesetzter Reinheit gesichert wurden. Der eigentliche Züchter aber war der kleine ostpreußische Bauer, der seine zwei bis drei Pferde hielt. Von ihm ließ sich der große Züchter und auch der Züchter mit einem kleineren Stutenbestand die Absatzfohlen liefern, um die Zahl ihres Fohlenjahrganges zu vervollständigen und dann später die richtige Anzahl Remonten* liefern zu können.
So ist es nur zu verständlich, dass sich das ostpreußische Pferd ob seiner hervorstechen den Eigenschaften im In- und Ausland einer großen Beliebtheit erfreute. Der hervorragende Ruf dieses Warmblutes weckte aber auch das ganz besondere Interesse des Militärs.
In Ostpreußen gab es fünf Heeres-Remonteämter. Das Heeres-Remonteamt Neuhof Ragnit war mit seinen Gutsbetrieben das größte unter ihnen. Es lag ungefähr auf halber Wegstrecke zwischen Ragnit und Tilsit, inmitten einer reizvollen Landschaft. Das Hauptgut Neuhof-Ragnit und die Vorwerke Klein-Neuhof und Kraken (Krakonischken) bildeten die Inspektion 1, der zuletzt Remonteamtsinspektor Goldmann vorstand. Zur Inspektion 2, die von meinem Schwiegervater, Remonteamtsoberinspektor Förster, geleitet wurde und dem ich eine Reihe detaillierter Angaben für diesen Bericht verdanke, gehörten die Vorwerke Schalau (Paskalwen) mit dem angegliederten Gut Girschunen, Damnitzhof (Gudgallen) und Heidenanger (Bambe). Von den 1.500 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche entfielen etwa 900 ha auf Ackerland und 600 ha auf Grünland, wovon ungefähr die Hälfte als Wiesen im großen Memelbogen zwischen Georgenhof und Ragnit lagen.
Welche Aufgabe hatten nun die Heeres-Remonteämter?
Alljährlich imFrühjahr wurden in der Presse Termine bekanntgegeben, zu denen Dreijährige für das Militär aufgekauft werden sollten. Die Züchter brachten ihre Pferde an die vereinbarten Orte und führten sie auf diesen Remontemärkten einer Remontierungskommission, die zumeist aus dem “Remontepräses”, zwei Offizieren, einem Veterinär und dem Zahlmeister bestand, zur Musterung vor. Der Militärtierarzt untersuchte Augen und Gebiss, nahm die Hufe in Augenschein, stolzierte um das Pferd herum und musterte jede Stelle des Körpers genau. An der Trense wurde das Pferd dann vorgeführt, zuerst im Schritt, dann im Trab. Dabei beobachtete die Kommission insbesondere die Gangart. Nach der Musterung und Untersuchung wurde dann für die als tauglich befundenen Pferde sofort der endgültige Preis festgesetzt.
Diese Remonteankaufskommissionen suchten aber auch Güter auf. Für einen solchen Gutsbetrieb war der „Remontetag" immer ein großes Erlebnis. Er brachte Abwechslung in das tägliche Einerlei, aber auch die Anerkennung der züchterischen Leistung des jeweiligen Besitzers, die nicht nur in ideeller Weise zu Buche schlug, sondern sich insbesondere in klingender Münze auszahlte. Schon Tage vorher wurden die Remonten besonders reichhaltig gefüttert, getränkt und solange gestriegelt, bis das Fell wie Seide glänzte. Sie wurden regelrecht „aufgeputzt". Pferdepfleger schnitten den Tieren Schweif und Mähne und kämmten das Haar sorgfältig aus. Im Stall gab es ein Großreinemachen. Nach dem Ausmisten wurde frisches Stroh geschüttet, die Ställe durchgelüftet. Der Gutshof wurde gefegt und geharkt. Alles sollte den besten Eindruck vermitteln, wenn die Kommission anrückte. Die zu einem guten Preis gekauften Pferde kamen dann in die Remonteämter, wo sie auf den Militärdienst vorbereitet wurden.
In Schalau standen immer zwischen 70 und 90, in Damnitzhof ungefähr 120 Remonten. Der Zweck der Übung im Einzelnen war der, die aus verschiedenen Ställen kommenden Tiere an die Gemeinschaft mit anderen Pferden zu gewöhnen. Dazu wurden sie zu Gruppen von 20 Pferden in einem Stall untergebracht. In dieser Vorbereitungszeit fand auch die Durchseuchung statt. Darüber hinaus wurde die körperliche Entwicklung gefördert durch gleichmäßige Fütterung, Bewegung der Pferde in eigens dafür hergerichteten Bewegungsbahnen, Abhärtung und regelmäßige Hufpflege. Allein ein Viertel der in Ostpreußen aufgekauften Pferde stand im Heeres-Remonteamt Neuhof-Ragnit und den dazugehörigen Vorwerken.
Nach der einjährigen Vorbereitungszeit fand dann auf dem Amt die Remontemusterung statt, bei der schon über die Verwendung des Pferdes entschieden und die Verteilung vorgenommen wurde. Alljährlich im Sommer hieß es dann Abschied nehmen, wenn die Kommandos verschiedener Reiterregimenter aus der Provinz und aus dem Reich kamen, um die Remonten abzuholen.
Der landwirtschaftliche Betrieb gestaltete sich im Großen und Ganzen wie der einer Domäne. Angebaut wurden insbesondere Kartoffeln und Getreide (Hafer, Roggen, Weizen). Die Roggen- und Weizenerträge wurden verkauft, der Hafer diente den Remonten als Futter.
Das Gras auf den ausgedehnten Memelwiesen wurde zweimal im Jahr gemäht. In Heidenanger führten diese Arbeit beispielsweise einzelne Bauern durch, denen von vornherein mit Pfählen abgesteckte Parzellen in der Größe von vier Morgen zugeteilt waren. Nach dem ersten Schnitt setzten sie das Heu dann in große Haufen auf, und zwar 10 Haufen pro Parzelle. Je zwei der Haufen wurden ihnen dann jeweils als Deputat von dem Inspektor des Remonteamtes zugeteilt, die sie sofort mit langen Büschen markieren mussten. Die verbleibenden acht Heuhaufen wurden von ihnen mit ihren Fuhrwerken in die zum Amt gehörende Feldscheune eingefahren. Von Schalau, Neuhof-Ragnit und Damnitzhof aus verbrachte man das Heu dann im Winter vierspännig mit großen Schlitten in die heimischen Ställe, wo es den Pferden als Rauhfutter diente. Von dem zweiten Schnitt (Grummet) erhielten die Bauern für die Fütterung ihres Milchviehs sechs bis acht Heuhaufen. Das verbleibende Heu kam dem Deputatvieh auf dem Hauptgut und auf den Vorwerken zugute.
Was die örtliche Lage und die damit im Winter und Frühjahrverbundenen Schwierigkeiten anbelangt, stellte das Vorwerk Kraken eine Besonderheit erster Güte dar. Es lag im Überschwemmungsgebiet der Lankaswiesen, dort wo die Memel durch den Rombinus** in einem großen Bogen in Richtung Tilsit abgedrängt wurde. „Hier wohnten vier lnstmannsfamilien" , so berichtet Remonteamtsinspektor Goldmann, „welche zur Bewirtschaftung und im Sommer zur Remontebetreuung ein gewisses Einsiedlerleben führten." Und der ehemalige Beamte fährt fort: „Sie bewohnten ein massives Mehrfamilienhaus, auf einem Hochkeller aufgestockt, um die Bewohner während einer Hochwasserperiode vor Schäden an Leib und Gut möglichst zu bewahren. Das Frühjahrshochwasser 1943 drang aber doch bis in die Wohnräume, da ein außergewöhnlich hoher Pegelstand herrschte.
Das Deputatvieh wie Kühe, Schafe und Geflügel, aber auch ein Wirtschaftsgespann von vier Pferden wurden bei hohem Wasserstand und Eisgang auf dem Boden eines massiven Remontestalls untergebracht. Die Belegschaftsfamilien mussten sich schon vor Weihnachten mit einem erheblichen Vorrat des täglichen Bedarfsversehen. Diese so abseits wohnenden Familien waren ohnehin auf eine recht autarke Hauswirtschaft eingerichtet. Die Hauptnahrungsgüter kamen aus Hausschlachtung und eigener Milch bzw. Butterversorgung und Brotbacken. Hühner deckten den täglichen Eierbedarf, und an Gänsen, Enten und Puten mangelte es auch nicht, um eine abwechslungsreiche Küche zu ermöglichen.
Stand das Hochwasser nicht höher als 50 bis 60 Zentimeter über dem Wiesengelände und dem Zufahrtsweg zum Hauptgut, war eine Verbindung mittels Gespann oder Schlepper noch möglich. Bei höherem Wasserstand ermöglichte ein Kahn, in den letzten Jahren mit Motor, einen Personen- und Versorgungsverkehr, zu dem auch die Überfahrt der schulpflichtigen Kinder zur amtseigenen Schule gehörte. In schweren Krankheitsfällen mussten auch Arzt und Hebamme diese Kahnpartie mitmachen. Fast drei Kilometer war die Strecke lang."
Das Heeres-Remonteamt Neuhof-Ragnit wurde von Oberst Perl-Mückenberger geleitet.
Der leitende landwirtschaftliche Beamte war Amtmann Stottmeister.
*Remonte – frz. Ersatzpferd, hier: drei-und vierjährige Pferde, die für die jährlich ausgemusterten Pferde benötigt wurden.
**Rombinus – heiliger Berg der Litauer aus heidnischer Zeit
Die Tilsiter Brücken im Wandel der Zeiten Hans Dzieran 2017
Im Oktober dieses Jahres sind es 110 Jahre, seitdem die Königin-Luise-Brücke entstand. Anlass genug, um an das eindrucksvolle Tilsiter Bauwerk und an ihr Schicksal zu erinnern. Und an die wechselvolle Geschichte des Brückenschlags über den Memelstrom.
Schon seit der Ordenszeit besaß Tilsit dank seiner geografischen Lage eine große Bedeutung für Wirtschaft und Verkehr. Hier war der Schnittpunkt zweier bedeutender Handelswege. Das war einmal der mächtige Memelstrom als Wasserstraße und zum anderen die Landverbindung ins Baltikum, die genau an dieser Stelle den geeigneten Übergang über die Memel fand, denn östlich von Tilsit erschwerten diluviale Steilhänge und im Westen die sumpfige Niederung des Deltas eine Stromüberquerung.
Die Menschen, die hüben und drüben am Memelstrom lebten, betrachteten den Fluss nie als Grenze. Er stellte für sie eine zentrale Achse und ein gemeinsames Element dar. Von Anbeginn war die Verbindung zwischen den beiden Ufern ein besonderes Anliegen.
Die Überquerung der Memel wurde im Mittelalter mit Hilfe von Fähren bewerkstelligt. Die erste Fährverbindung ließ Herzog Albrecht um 1600 errichten. Sie wurde reichlich genutzt und reichte schon bald nicht mehr aus. Nach dringenden Bitten der Stadt erhielt man die herzogliche Genehmigung zum Bau einer eigenen Fähre, der sogenannten Stadtfähre. Mehr als hundert Jahre transportierten die beiden Fähren Personen und Waren über den Strom. Doch sie hatten große Mühe, den ständig wachsenden Handelsverkehr zu bewältigen, zumal bei Eisgang und Hochwasser der Übergang zum Erliegen kam. Nur bei Dauerfrost erlaubte das tragfähige Eis eine Verbindung zwischen beiden Ufern.
Abhilfe konnte nur eine Brücke schaffen. Es waren ausgerechnet die Ereignisse des Siebenjährigen Krieges, die zum Bau einer Brücke über den Memelstrom führten. Die Russen hatten 1758 Tilsit erobert und hielten Ostpreußen vier Jahre lang besetzt. Nicht nur wirtschaftliche Gründe, sondern vorrangig militärstrategische Erfordernisse machten den Bau einer Floßbrücke durch russische Pioniertruppen notwendig. Die Brücke stand allerdings nur vier Jahre und wurde beim Abzug der Russen wieder zerstört.
Die Tilsiter hatten inzwischen den Vorteil einer Brücke kennen und schätzen gelernt und wurden beim König vorstellig. Friedrich der Große willigte ein und gab den Bau einer Brücke in Auftrag. Sie wurde im Jahre 1767 in Betrieb genommen. Es war eine 340 m lange Schiffsbrücke, die auf 36 Pontons ruhte. Sie ermöglichte einen aufblühenden Handel und Wandel.
Bild 1 Eine hölzerne Schiffsbrücke war der Vorläufer der Königin-Luise-Brücke.
Sie existierte 140 Jahre lang Foto Archiv
An Markttagen und zu Zeiten des Tilsiter Jahrmarkts kamen nicht nur die Bauern aus den diesseits des Stroms gelegenen Dörfern in die Stadt, sondern genau so viel Fuhrwerke strömten von jenseits der Memel über die Brücke auf den Tilsiter Markt.
Lebhafter Verkehr herrschte auch während der Heuernten. Zahlreiche Landwirte hatten ihre Wiesen auf der rechten Memelseite und transportierten das Heu über die Brücke zum Tilsiter Heeresproviantamt oder auf ihre Höfe.
Von großem Nachteil war, dass die Brücke bei den enorm anwachsenden Warenströmen zweimal täglich auseinandergeschwenkt werden musste, um Schiffe, Boydaks und Holzflöße durchzulassen. Und vor Beginn des Winters wurde sie völlig abgeschwenkt und ruhte bis zum Frühjahr im Tilszelehafen. Der Verkehr über die Memel wurde dann von der Königlichen Trajektanstalt notdürftig mit Hilfe von Fährkähnen oder -schlitten durchgeführt. Bei starkem Eisgang oder Hochwasser kam der Verkehr völlig zum Erliegen. Deshalb brachte der Bau einer Eisenbahnbrücke über den Memelstrom im Jahre 1875 eine gewisse Erleichterung. Sie verfügte nicht nur über einen Gleiskörper, sondern auch über eine Fahrbahn für Fuhrwerke, die außerhalb der Zugverkehrszeiten genutzt werden durfte.
Doch um die Jahrhundertwende wurde immer deutlicher, dass ein moderner Brückenübergang geschaffen werden musste, der den wachsenden Ansprüchen von Handel, Verkehr und Schifffahrt gerecht wurde. Den Bemühungen von Oberbürgermeister Pohl, Landrat von Schlenther und des Tilsiter Bürgervereins war es zu verdanken, dass der Staat als Bauherr gewonnen werden konnte. Das Projekt schuf Baurat Kersies, ergänzt durch den Geheimen Oberbaurat Anderson. Im Spätherbst des Jahres 1904 begann die Herstellung der sieben massiven Brückenpfeiler aus Naturstein. Sie schufen die Voraussetzung, der starken Strömung und den Schwemmsandböden der Uferregion Paroli zu bieten. Im Folgejahr brachte die Firma Beuchelt & Co den Stahlbau auf. Die fachwerkartige, harmonisch gegliederte Konstruktion gewährleistete eine hohe Belastbarkeit der Brücke. Drei elegante Stahlbogen von je 105 Meter Länge schwangen sich über den Strom mit einer mittleren Höhe von 19 Metern.
Bild 2 1905. Während des Brückenbaus verband eine
Pontonbrücke beide Ufer. Foto Archiv Die Gesamtbreite der Brücke betrug 12,55 Meter; die Breite der Fahrbahn 7,20 Meter. An der Südauffahrt befand sich ein 12 m breiter Schiffsdurchlass mit einer Zugbrücke. Die auf dem ersten Brückenpfeiler befindlichen Maschinenhäuschen ermöglichten das Hochziehen und Senken der einarmigen Klappe in jeweils einer Minute.
Die harmonisch gegliederte Brücke hatte eine Gesamtlänge von 416 Metern. Beeindruckend war das stadtwärtige Brückenportal. Es bestand aus Sandstein und war von zwei Türmen flankiert, die in ihrer barocken Gestaltung der benachbarten Deutschordenskirche angepasst waren. Das Portal wurde zum Wahrzeichen der Stadt und fasziniert noch heute ihre Besucher. Ein Bronzerelief der Königin Luise mit der darunter befindlichen Inschrift KÖNIGIN LUISE-BRÜCKE krönte das Portal. Der bildnerische Schmuck der Brücke wurde nach Entwürfen des Regierungsbaurats Fürstenau durch den Bildhauer Walter aus Berlin-Friedenau ausgeführt.
Die Baukosten der Brücke beliefen sich auf rund 1,8 Millionen Mark und entsprachen der veranschlagten Summe. Die Finanzierung übernahm im Wesentlichen das Reich. Provinz und Kommune beteiligten sich mit je 10 %.
Bild 3 Einweihung der Königin-Luise-Brücke durch
Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen. Foto Archiv
Der 18. Oktober 1907 war ein denkwürdiger Tag. Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen war nach Tilsit gekommen, um die neue Brücke einzuweihen. Zwölf Uhr mittags hatten sich Ehrengäste und Behördenvertreter auf der Brücke eingefunden. Tausende von Tilsitern säumten den Platz vor der Brücke. Ein Sängerchor intonierte „Lobe den Herren“ und „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“. Die Festredner erinnerten an das einhundert Jahre zurückliegende Ereignis des Tilsiter Friedens. Er hatte Tilsit in der Weltgeschichte berühmt gemacht. Seitdem stand die Stadt in allen Schulbüchern und Reiseführern. Hier auf dem Memelstrom gab es das historische West-Ost-Treffen von Kaiser Napoleon und Zar Alexander. Die wahre Heldin für die Tilsiter aber war und blieb Königin Luise. So war es nur logisch, dass die Brücke ihren Namen erhielt. Nach dem Taufzeremoniell wurde das Bauwerk feierlich seiner Bestimmung übergeben. Voller Begeisterung strömten die Menschen auf die Brücke. Viele nutzten auch Dampferfahrten, um die Brücke vom Strom aus in Augenschein zu nehmen. Bis in die Abendstunden feierte die begeisterte Menge bei den Klängen eines Promenadenkonzerts die Brückenweihe.
Bild 4 Anlässlich der Brückeneinweihung wurde
diese Gedenkmedaille geprägt Foto Archiv Zur Erinnerung an das denkwürdige Ereignis wurde eine Medaille herausgegeben. Sie hatte einen Durchmesser von 5 cm und trug auf der Vorderseite eine Abbildung der Brücke mit dem Datum der Einweihung und dem Schriftzug „Königin Luise-Brücke über die Memel, Tilsit“. Auf der Rückseite befand sich ein Porträt der Königin Luise.
Die ersten sieben Jahre nach der Einweihung trug die Königin-Luise-Brücke zu einem enormen Wirtschaftsaufschwung bei. Doch dann drohte Ungemach. Der erste Weltkrieg brach aus. Um die Russen am Eindringen nach Ostpreußen zu hindern, wollte das Militär die Brücke sprengen. Nur durch das Verhandlungsgeschick des Oberbürgermeisters blieb die Brücke unversehrt.
Als nach wenigen Wochen die Russen abziehen mussten, waren sie es, die die Brücke zerstören wollten. Ein kühner Vorstoß von Hauptmann Fletcher rettete die Brücke.
Der Vertrag von Versailles machte die Memel zum Grenzstrom. Das jenseitige Memelland annektierten die Litauer. Mitten auf der Brücke kennzeichneten die Wappen mit dem deutschen Adler und dem litauischen Reiter den Grenzverlauf. Von nun an bestimmte zwei Jahrzehnte lang der kleine Grenzverkehr das Bild auf der Brücke.
Bild 5 Um 1935. Die Königin-Luise-Brücke in friedlichen Zeiten Foto Archiv
Im März 1939 erlebte die Königin Luise-Brücke einen denkwürdigen Tag. Nach Verhandlungen mit der litauischen Regierung kam das Memelland wieder zurück nach Deutschland. Die Grenzwappen auf der Brücke wurden abmontiert und Soldaten der Tilsiter Garnison marschierten unter dem Jubel der Menschen hüben wie drüben über die Brücke ins befreite Memelland.
Zwei Jahre später zogen erneut Wehrmachtskolonnen über die Brücke. Der Feldzug gegen die Sowjetunion hatte begonnen. Die Brücke musste in den nächsten Jahren vorrangig militärische Aufgaben erfüllen, bis im Oktober 1944 noch einmal deutsche Truppenteile die Brücke überquerten, diesmal aber in umgekehrter Richtung. Die Wehrmacht zog sich auf das südliche Memelufer zurück und bezog dort eine Abwehrstellung. Am 22. Oktober kam damit für die Königin-Luise-Brücke das Aus. Sie wurde von einem Pioniertrupp des Heeres gesprengt und sollte das weitere Vordringen der Russen stoppen.
Bild 6 Das traurigste Kapitel in der Geschichte der Königin-Luise-Brücke:
Am 22. Oktober 1944 wurde die Brücke von deutschen Pionieren gesprengt.Foto Kragenings
Für die Rote Armee war nach der Einnahme von Tilsit der Bau eines neuen Übergangs über die Memel von absoluter Dringlichkeit. Sowjetische Pioniere hatten bereits in der Vorbereitungsphase der Offensive Holz in den Wäldern des Memellandes eingeschlagen und Pfosten und Balken für den Brückenbau vorbereitet. In kürzester Frist entstand eine provisorische Pfahlbrücke, mit deren Hilfe Truppenverstärkungen und Nachschub für die weiteren Kampfhandlungen herangeführt werden konnten. Ihre Lebensdauer war allerdings kurz. Sie wurde im Frühjahr 1946 von Wassermassen und Eisschollen weggerissen.
Es galt nun, eine dauerhaftere Lösung zu schaffen und die gesprengte Luisenbrücke wiederherzustellen. Spezialisten aus dem namhaften Kiewer Schweißinstitut kamen nach Tilsit und zerlegten mit Schneidbrennern die im Wasser liegenden Brückenteile. Die alten Brückenpfeiler wurden saniert und neue betoniert. Gleichzeitig begann die Fertigung einer Holzkonstruktion unter militärischem Kommando. Die Ordenskirche wurde zum Sägewerk umfunktioniert. Hierher lieferte ein Transportbataillon in rascher Folge Langholz aus dem Trappöner Forst an. Ein Bauregiment war mit dem Zuschneiden der hölzernen Bogenteile und des Fahrbahnbelags beschäftigt und nahm die Montagearbeiten vor. Zeitweilig waren 3000 Soldaten beim Brückenbau eingesetzt. Bereits im Juli 1947 war die neue Brücke fertiggestellt. Sie sah mit ihren drei hölzernen Bogen der alten Luisenbrücke täuschend ähnlich. Die Freigabe für den Verkehr nahm der Kommandeur des Baltischen Wehrbezirks vor. Am erhalten gebliebenen Portal wurde das Porträt der Königin Luise demontiert und durch das Staatswappen der Sowjetunion ersetzt.
Bild 7 1947. Bau einer Brücke in Holzkonstruktion.
Diese Brücke existierte 18 Jahre. Foto Boiko
18 Jahre lang rollte der Verkehr über das neue Bauwerk. Der ständig steigende Güterverkehr mit immer schwerer werdenden Fahrzeugen forderte seinen Tribut. Zuletzt ächzte und wackelte der Bohlenbelag bedenklich. Den Rest besorgte 1965 ein Schwimmkran, der beim Durchfahren die Brücke mit seinem Ausleger beschädigte. Sie musste für den Verkehr gesperrt werden und wurde noch im gleichen Jahr abgerissen.
Eine zeitgemäße und dauerhafte Lösung musste her. Es entstand eine nüchterne Betonbrücke in Stahl-Kastenträgerkonstruktion. Interessen des Denkmalschutzes blieben unberücksichtigt. Nur das südliche Brückenportal erinnerte an den einstigen Stolz der Stadt. Aber selbst dieser Anblick unterlag nach dem Zerfall der Sowjetunion erheblichen Einschränkungen. Mit der neuen Zollgrenze zu Litauen entstand im Jahre 1992 vor dem Portal ein großes Abfertigungsterminal.
Bild 8 Königin-Luise-Brücke heute Foto Rosenblum
Im Verlauf der europäischen Osterweiterung erhielt die Brücke zur Jahrtausendwende von der EU den Status „Brücke des Friedens“ verliehen. Davon kündet am Memelufer ein Gedenkstein in englischer, litauischer und russischer Sprache. Eine Inschrift in deutscher Sprache sucht man vergeblich – an die deutsche Vergangenheit der Brücke sollte wohl nicht erinnert werden.
Immerhin gelangte das Brückenportal im Jahre 2003 auf die Liste der kulturhistorischen Denkmäler. Die damit einhergehenden Restaurierungsarbeiten durch die St. Petersburger Firma Ekorem fanden ihren Höhepunkt mit der Anbringung des Porträts der Königin Luise am ursprünglichen Ort. Auch für die Sanierung der arg ramponierten Fahrbahn flossen finanzielle Mittel. Die litauische Firma „Viadukt“ trug einen neuen Asphaltbelag auf und erneuerte Gehwege und Geländer.
Dennoch wurde bald klar, dass die Königin-Luise-Brücke den Anforderungen an einen modernen Schwerlastverkehr nicht mehr gewachsen war. Die Notwendigkeit einer neuen Brücke über den Memelstrom zeichnete sich ab. Sie sollte den grenzüberschreitenden Transit- und Güterverkehr flüssiger gestalten. Auch galt es dringend Abhilfe zu schaffen wegen der sich in den Straßen der Stadt stauenden und auf die Zollabfertigung wartenden Trucks, die mit Lärm und Abgasen eine unzumutbare Belastung für die Anwohner darstellten.
Nach langwierigen russisch-litauischen Verhandlungen zum Bau einer neuen Brücke über den Memelstrom unterzeichneten Regierungsvertreter beider Seiten im Jahre 2011 ein entsprechendes Abkommen. Es sah vor, die Brücke bei Dubki, 5 Kilometer östlich von Tilsit, zu bauen. Dubki ist das frühere Paskallwen. Weil der Teil auf litauischer Seite wegen des zu querenden Überschwemmungsgebiets erheblich länger ausfallen musste, gab es zunächst Streitigkeiten bei der Aufteilung der Baukosten. Die vereinbarte Regelung sah vor, dass Russland 15 Mio €, Litauen 17 Mio € und die Europäische Union 10 Mio € übernimmt.
Verkehrsminister Igor Lewitin gab seinerzeit bekannt, dass im Zusammenhang mit dem Brückenbau auch eine Umgehungsstraße und ein neues Abfertigungsterminal entstehen wird. Als Termin für die Fertigstellung wurde das Jahr 2014 genannt. In Tilsit atmete man auf. Endlich sollte der Schwerlastverkehr aus der Stadt verschwinden. Nach Inbetriebnahme der neuen Brücke sollte die Königin-Luise-Brücke nur noch dem Fußgängerverkehr und Reisebussen vorbehalten bleiben.-
Bild 9 Seit 2015 überspannt die neue Brücke grenzüberschreitend den Memelstrom Foto Müller
Die Bauarbeiten wurden zügig in Angriff genommen. Es gelang, sowohl die Zubringerstraßen auf russischer wie auf litauischer Seite als auch die neue Brücke vor zwei Jahren fertigzustellen. Der Bau wurde als völkerverbindendes Symbol der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und als wichtiger Bestandteil des transeuropäischen Korridors auf dem Abschnitt Danzig-Kaliningrad-Riga gebührend gefeiert.
Doch seit Fertigstellung der Brücke ist sie in einen Dornröschenschlaf gefallen. Noch ist kein einziges Fahrzeug über die Brücke gerollt. Man hatte wohl nicht rechtzeitig an die Einrichtung eines Grenz- und Zollabfertigungsterminal gedacht. Erst im Juli 2015 – die Brücke war bereits fertig – erfolgte die Grundsteinlegung für eine supermoderne Abfertigungsanlage mit einer Durchlasskapazität für 4000 Fahrzeuge pro Tag. Seitdem müht sich die Firma „Rosgranstroj“, die Arbeiten bis zur Fußball-EM im nächsten Jahr abzuschließen und die Brücke für den Verkehr freizugeben. Es gehört schon ein starker Glaube dazu, um bis dahin endlich Fahrzeugkolonnen über die neue Brücke rollen zu sehen.
Dieser Beitrag wurde im Tilsiter Rundbrief Nr 101 veröffentlicht. Die Veröffentlichung hier erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors Herr Hans Dzieran.
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Weihnachtszeit und der Elch, unser Wappentier
Wieder ist es Weihnachtszeit. Die Gedanken gehen zurück zum einstigen zu Hause, nach Ostpreußen und dem Kreis Elchniederung. Es ist ein nie enden wollendes Wehgefühl, das immer wieder wach wird, wenn man zur Ruhe kommt und all der Stress aus der heutigen Zeit mal abgelegt werden kann. Ich sehe dann die einst eingeschneiten Dörfer vor mir. Die Rauchschwaden stiegen von den Häusern hoch und vereinigten sich mit den Wolken am weihnachtlichen Himmel. Jahre sind inzwischen vergangen, doch stehen die einst erlebten Ereignisse als Bilder immer wieder vor mir, so dass ich einfach davon erzählen muss, was das Leben uns einst dort in Ostpreußen so bescherte. Die meisten Tätigkeiten ruhten nun, bis auf die nötigsten Versorgungen von Mensch und Tier. Gingen wir abends mit der Stalllaterne über den Hof, dann hörten wir das heisere Bellen des Fuchses, auch das Knallen eines vom Frost gespaltenen Baumstammes. Die in den hohlen alten Linden entlang der Hofauffahrt nistende Eule meldete sich an Sommer- wie auch an Winterabenden. Die Mutter musste sie nicht selten mit dem Besen aus dem Herdschornstein spenkern. Es kam vor, dass der Kautz durch den Schornstein kam und bald in den Grapen (Kochtopf) mit der von uns so geliebten, dazu noch kochenden Milch, Klunkermus gefallen wäre. Nun war großes Hallo und Aufruhr in der Küche. Küchentür und Haustür auf, und wir mit Handtuch und Besen bewaffnet rein. Alle Mann waren hinter dem nächtlichen Eindringling her, bis wir ihn endlich hinaus in die winterlichen Gefilde verwiesen hatten und wieder Ruhe eingekehrt war. Die Tiere aus Wald und Flur waren das ganze Jahr unsere Begleiter und dazu in gesegneter Vielfalt, hierfür war der Kreis Elchniederung ja bekannt. Die Elche ästen meist zu zweit oder zu dritt, ohne große Scheu vor Menschen gemächlich und ignorierten uns. Nein, der Mensch mied mehr den Elch. Man hörte Geschichten, die uns Respekt vor ihm beibrachten. Das Rehwild sahen wir in Sprüngen bis zu 30 Stück, welche uns äugend und sichernd verfolgten. Wir warfen manchmal Heu vom Schlitten auf den verschneiten Weg. Die Rehe nahmen es ohne zu zögern. Der Hunger muss groß gewesen sein. Die Förstereien hatten im Winter die Gestellwege an den Fütterungen mit dem Pferderäumpflug räumen lassen. Das Wild litt in kalten und schneereichen Wintern erhebliche Not.
Schon vor Urzeiten hat der Elch im Raum der Balticsee (Ostsee)mit anderem Wild seine Einstandsstände. Welch harte Kämpfe auf Leben und Tod mögen in den einstigen Urwäldern und undurchdringbarem Dickicht stattgefunden haben, als der Mensch noch mit Faustkeil, Fallgruben und Speer dem Wild nachstellten. Auch die Hatz war für unsere Vorfahren eine lebensnotwendige Jagdart um die Familiensippe im Lebenskampf und der Frau am Herd die notwendigen Naturalien für den Graben zu bringen. Unsere Vorfahren, die Germanen, haben den Elch gejagt und gleichzeitig nach dem Amber, unser heutiges Ostpreußengold, den Bernstein. Selbst die römischen Cäsaren schickten ihre Galeeren nach Germanien, auf der Suche nach dem Reichtum der nordischen Ländern, welche die Germanen wieder hartnäckig verteidigten. Feinde des Elches waren immer schon die Geschöpfe, wie der Mensch, der Bär und der Wolf. Auch heute noch berichten Augenzeugen von den Kämpfen zwischen Bär und Elch, bei denen schließlich beide Kontrahenten, nachdem sie stundenlang gekämpft hatten, beide verendet sind.
Die Wissenschaftler gaben dem Elch den Namen „Alces Alces“, er erreicht ein Gewicht von ca. 10 Ztr., hat eine Schulterhöhe von etwa 2,00m, mit einer Körperlänge von ca.2,90 m. Die größten Elche, „Elcus Gigas“, leben in Alaska, mit einem Gewicht von bis zu 16 Ztr. Spricht man mit kanadisch und Trappern, dann weichen die Angaben auch etwas voneinander ab. Die Elche sind Wiederkäuer, Gehölzäser und Paarhufer, dazu unberechenbar. Sie sind sehr angriffslustig, das kann gefährlich werden. Die gespaltenen Füße sind mit einer mit einer unsichtbaren Haut verbunden, die sich im weichen Boden, z.B.im Moor spreizt und der Elch nicht so tief einsinkt. Vor dem Krieg 1938, war durch die Hege von Elchvater Kramer mit seinen Mannen, der Elchbestand bis auf ca. 1800 Stück in der Niederung laut Zählungen angewachsen. Der Elch ist ein guter Schwimmer. In dem Gedicht „Die Frauen von Nidden“, heißt es doch: „Die Pest, sie ist des nachts gekommen, mit Elchen über das Haff geschwommen“!
Zu Hause in Schneckenwalde (Tunnischken), dem Ortsteil Loheden, sahen wir in den Sommermonaten nur vereinzelt Elche. Erst ab September, etwa zu Beginn der Brunftzeit und im Winter, wenn die Moore gefroren und die Brüche vereist waren, traten sie vermehrt im Hochwald sowie leider auch in den Schonungen auf. Die Schäden durch Verbiss müssen erheblich gewesen sein. Ich kann mich entsinnen, wenn wir im Winter mit den Schlitten nach Groß Friedrichsdorf fuhren, haben wir oft in den Schonungen äsende Elche gesehen. Kamen wir erst nach Eintritt der Dunkelheit zurück, kam es vor, dass die Pferde plötzlich nicht mehr gehen wollten oder seitlich ausweichen. Vater hatte dann Mühe sie auf dem Weg zu halten, er konnte nur noch die Zügel straffziehen. Die Eltern meinten hinterher, da muss Wild gewesen sein, die Pferde hatten Witterung aufgenommen. Wir beobachteten auch, dass im Herbst vermehrt einzelne Elche von Süden kommend (Schneckenwalder- oder Loheder Wald), zwischen den Grundstücken Karl Störmer und uns, Max Ruppenstein, nach Norden in Richtung Schnecke, zu dem Vogelschutzwäldchen überwechselten. Alle Vogelschutzwäldchen an der Schnecke existieren seit 1946 nicht mehr, man hat den alten Zustand der Landschaft offensichtlich verändert. Als wir im Krieg, es kann 1942 gewesen sein, eine Schulklasse aus Berlin-Charlottenburg in Schneckenwalde hatten, erlebten wir ein besonderes Erlebnis mit zwei Elchen. Wir Kinder waren in den Loheder Scheffeln. Als Scheffel bezeichneten wir, die von der Domäne verpachteten Ackerparzellen an die hiesigen Bewohner, besonders an Forst- und Domänenarbeiterfamilien. Wir waren südlich vom Jogdaler (Grünhausener) RAD-Lager, das lag an der Grenze von Loheden, als plötzlich zwei Elchbullen aus dem Wald kamen. Sichtbar trieb ein Bulle einen anderen Bullen vor sich her, mitten durch die Menschen, die dort auf den Ackerparzellen ihre Kartoffeln rodeten. Wir sahen, wie die dort tätigen Arbeiter ihre Forken und Kartoffelhacken hoben und in Abwehrhaltung gingen, in dem sie laut, wohl mehr aus Angst und Panik, die Elche anschrien. Der Platzbulle drehte dann wieder in Richtung Wald ab, wo er dann auch bald verschwand. Der abgeschlagene Bulle aber hielt nun auf uns zu. Nun packte uns Kinder die gleiche an Angst und Panik, wie vorher die Erwachsenen. Marie-Luise, ein Mädchen aus der Berliner Schulklasse, die in etwa 30m Entfernung im hohen Gras war, rannte laut schreiend zurück zur Loheder Grand Chaussee, in Richtung von meinem Elternhaus, dem Hof Max Ruppenstein. Ich schaffte es nicht mehr zurück. Um dem Bullen zu entkommen flüchtete ich in ein kleines, am Graben stehendes Weidengebüsch und verbarg mich im Gestrüpp. Inzwischen war der Elch auch schon da und trollte mehr flüchtig, mal rechts, mal links, nach uns äugend und sichernd, dabei zischend und schnaubend dem Wald zu und verschwand im dichten Unterholz in sicherer Deckung. Wenn ich das heute betrachte und die ganze Geschichte an der Verhaltensweise der kanadischen Elche messe, dann begreife ich erst in welcher Gefahr wir damals alle geschwebt haben. Nur gut, dass der Platzbulle dem weichenden Bullen genug Respekt verabreicht hatte. Sollte es das Schicksal wollen, dass jemand diese Zeilen liest, der Zeuge diese Geschehen war, möchte sich bitte bei mir melden. Ich würde mich riesig freuen. Wir beobachteten immer wieder, dass Elche vom Süden kommend aus dem Loheder Wald und weiter nach Norden in Richtung Schneckenwalder Wiesen, nach dem Großen Schaugraben, wo früher die Milchsammelstelle war, wechselten. Hier am Schaugraben, verhofften sie meist kurz, stellten sich auf die Hinterläufe und übersprangen den Schaugraben einschließlich der beidseitig des Grabens stehenden Stacheldrahtzäune mühelos mit einem eleganten Sprung. Dann trollten sie sich in Richtung Schnecke, um in dem einstigen Vogelschutzwäldchen in neuer Deckung Einstand nahmen.
Dreidrähtiger Stacheldrahtzaun Nr.1 1,20m hoch
Grabenböschung Nr.1 1,50m breit
Schaugraben 2,00m breit
Grabenböschung Nr.2 1,50m breit
Dreidrähtiger Stacheldrahtzaun Nr.2 1,20m hoch
Diese Hindernisse von 5,00m Länge und 1,20m Höhe, übersprangen sie aus dem Stand, wie wir mehrmals gesehen haben, ohne sich in den Stacheldrahtzäunen zu verfangen. Es kam es immer wieder, dass die Elche uns im Winter die gefrorenen Mieten öffneten. Wir hatten dann nur noch die Möglichkeit, die über Nacht von den Elchen, mit Stroh einzudecken und auf milderes Wetter zu warten, damit wir die Runkeln nach Hause fahren konnten. Die Elche schlugen den gefrorenen Boden mit den Vorderläufen, mittels eines Pendelschlags auf. Sie setzten auch über den Gartenzaun und verbissen uns die Obstbäume und Sträucher. Krach ignorieren sie einfach. Ich kann mich erinnern, dass zu Hause erzählt wurde, dass unser Briefträger von einem Elchbullen angenommen und verfolgt worden sei. Der Briefträger habe, trotzdem der kräftig in die Pedalen getreten hat, Zuflucht auf einem Baum nehmen müssen. Ob es sich um unseren Briefträger Fröse aus Peterswalde gehandelt hat, kann ich leider nicht mehr sagen. Ebenso erging es dem Schneckenwalder Forstlehrling Horst Thanne. Auch er wurde von einem Elch angenommen und musste sich auf einem Baum in Sicherheit bringen. Horst ist dann später im Krieg gefallen. Heute wird noch durch die Elchschaufel an unser Wappentier erinnert. Früher waren auch Behördenstempel mit einer Elchschaufel verziert. Neben unserer Ostpreußenfahne, tragen auch unsere Trakehner Warmblutpferde den Elchschaufelbrand.
Dettmar Ruppenstein, 107 Lindy Place South, Fort France – ON, Kanada Früher: Schneckenwalde, Post Gr.Friedrichsdorf, Kr.Elchniederung HB Nr.66/2017
Es gibt viele interessante Fakten über den Elch, z.B. In Europa leben 1.000.000 Elche, 300.000 in Schweden, sie werden 30 Jahre alt, zweidrittel ihres Lebens verbringen sie im Wasser, sie können bis 6 m tief tauchen und bis 30 km weit schwimmen, sie erreichen eine Geschwindigkeit on 10 km/h, im Sommer frißt ein Elch bis zu 30 kg Pflanzen, wiegt bis 800 kg u.v.m. Die Redaktion. Quelle ist u.a. Martina Berg