Der Sommer 2019, ein denkwürdiger Sommer in Slawsk - früher Heinrichswalde!

 

Meine Winterreise in die Elchniederung 2019

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Sommer 2019, ein denkwürdiger Sommer in Slawsk - früher Heinrichswalde!

Was machte diesen Sommer so denkwürdig? Es gab bei unserem Besuch eigentlich zwei große Ereignisse, das Stadtfest von Slawsk am 2. und 3. August 2019 sowie das 2. Baltische Feld vom 27. und 28. Juli 2019. Barbara Dawideit & Eduard Kondratow & Igor Rudenkow (verdeckt) geben den Weg frei
Das Besondere zur Eröffnung des Stadtfestes war die feierliche Übergabe eines Elches aus Hufeisen, über 600 Hufeisen ostpreußischer Pferde, durch unsere Kreisgemeinschaft an den Rayon Slawsk und damit für die Bevölkerung des Kreises. Vorausgegangen waren dazu eine Abstimmung mit den Kirchspielvertretern unserer Kreisgemeinschaft zum Erwerb dieses Elches sowie eine vertragliche Vereinbarung zur Übergabe und zum Erhalt dieses Kunstwerkes mit der Administration des Rayons Slawsk im Februar dieses Jahres. Nachzulesen im Artikel von Frau G. Bastemeyer „Meine Winterreise in die Elchniederung“. Alle Veranstaltungen in Slawsk fanden unter Teilnahme der örtlichen Bevölkerung sowie offiziellen Vertretern der Administration aus Kaliningrad (Königsberg) und Moskau statt.

Was ist denn nun das Bedeutende oder Denkwürdige daran? Unser Kreis Elchniederung hatte früher und auch heute einen Elchkopf im Wappen und es gibt in Ostpreußen zwei Elchdenkmale, einen in Tilsit (Sowjetsk) und einen weiteren in Gumbinnen (Gussew). Mit diesem Elch aus Hufeisen des Künstlers Alik Mikschta gibt es nunmehr einen dritten Elch im ehemaligen Ostpreußen. Nicht zu Unrecht wurde von der lokalen Presse mit stolz betont, der Elch bleibt bei uns! Für den Rayon auch deshalb von Bedeutung, weil der Künstler auch aus diesem Kreis stammt. Dass es zu diesem Denkmal für den Rayon Slawsk - unseren Heimatkreis kam, verdanken wir besonders dem persönlichen Einsatz unserer Geschäftsführerin Barbara Dawideit und dem Landrat von Slawsk Igor Rudenkow.

Der Elch steht vor dem Verwaltungsgebäude der Administration von Slawsk. Hier fand am Vorabend des Stadtfestes auch die feierliche Einweihung des Denkmals statt. Gewürdigt wurde diese Feierlichkeit mit Beiträgen des Landrates I. Rudenkow, des Bürgermeisters Eduard Kondratow, des Museumsdirektors W. Kent, unserer Geschäftsführerin B. Dawideit und nicht zuletzt vom Künstler A. Mikschta. Im Anschluss an die Einweihung ging es gemeinsam zum renovierten Kulturhaus der Stadt (früher Hotel „Deutsches Haus“), in welchem die feierliche Kulturveranstaltung zum Stadtfest stattfand. Neben Auszeichnungen zur Neugestaltung der Stadt erhielt auch Barbara Dawideit eine Urkunde für ihren persönlichen Einsatz um die Verdienste zur freundschaftlichen Entwicklung unserer Gemeinschaften.

Gruppenfoto vor dem Hufeisenelch des Künstlers A. Mikschta nach der feierlichen Einweihung
Die Tafel am  HufelchDer Hufeisenelch vor dem Verwaltungsgebäude des Rayons Slaws

Das Stadtfest selbst ist wie schon in den letzten Jahren ein Höhepunkt im kulturellen Leben der Stadt, welches über die Kreisgrenzen hinaus bekannt und beliebt ist. Die öffentlichen Reden sind geprägt von den freundschaftlichen Beziehungen der Stadt zu Partnergemeinden in Polen, Litauen und Weißrussland, dem Elisabeth-Kloster, der Hauptstadt des Oblastes , den führenden russischen Parteien und natürlich unserer Vertretung. Zum Stadtfest können sich besonders Künstler der Region, Chöre und Jugend- und Kindergruppen präsentieren. Auch die Reisaktivitäten unserer Kreisgemeinschaft werden terminlich so gelegt, dass der Besuch des Stadtfestes ermöglicht wird. In diesem Jahr war Peter Westphal mit seiner Reisegruppe sowohl zur Einweihung des Denkmals als auch beim Stadtfest anwesend.Eingerüstete Kirche August 2019

Wenn ich eingangs auf zwei große Ereignisse hinwies, so möchte ich auf ein weiteres Ereignis von besonderer Reichweite aufmerksam machen: Die Renovierung der Kirche von Heinrichswalde wurde in diesem Sommer begonnen. Der russische Staat stellt dafür 138 Millionen Rubel zur Verfügung. Bedenkt man, dass der sowjetische Staat zugelassen hat, dass die meisten kulturhistorischen Objekte, darunter besonders die Kirchen geschliffen wurden und die meisten Kirchen nur in Fragmenten existieren, so können wir uns über diese Maßnahme ehrlich freuen. Kirchen bzw. Kirchengrundstücke, die 2011 durch Übertragung an die russisch-orthodoxe Kirche aktiv gottesdienstlich genutzt und renoviert wurden, bleiben erhalten. In unserem KreisVor der Austellung unseres Kreises mit W.Nienke, B.Dawideit, N.Mikschtat, L.Lobakina; A.Mikschtat ist das gegenwärtig die ev. Kirche von Kreuzingen (Bolschakowo).

Das zweite große Ereignis war das 2. Baltische Feld (Baltischkoje Polje) in der Nähe von Talpaki (Talplaken). Dazu wurde eine riesige Ackerfläche langfristig vorbereitet. Das 1. Baltische Feld fand vor zwei Jahren erstmalig in der Nähe von Kaliningrad statt. Im vergangenen Jahr musste die Veranstaltung wegen der afrikanischen Schweinepest abgesagt werden. Jedenfalls war die Veranstaltung, man kann fast sagen das Fest, in diesem Jahr ein gelungenes Ereignis, hatte eine ungeheuer große Besucherresonanz. In Spitzenzeiten gab es aus Richtung Königsberg bzw. Tilsit kommend Staus von 10 km Länge. Auf dieser Veranstaltung  stellen die Kreise ihre Leistungsfähigkeit vornehmlich landwirtschaftlich zur Schau. Hinzu kommen kulturelle Auftritte.  Dann gab es Rodeo Wettkämpfe, tierische Leistungsschauen (z.B. Milchkühe mit Eutern, wie man sie bei uns kennt), Leistungspflügen u.m. Von der Bevölkerung hoch anerkannt war der volkstümliche Besuch des Gouverneurs des Oblastes Kaliningrad, Anton Alichanow, der jedem Kreis seine Audienz erwies und auch den Sonderschauen einen Kurzbesuch abstattete. Diese Veranstaltung drängte mir den Vergleich zur „Internationalen Grüne Woche Berlin“ auf, ein wenig zumindest auf nationaler Ebene. Natürlich wurden auch viele Produkte, z.B. Früchte, Honig, eingelegte Gurken, Salate, aber auch kunstgewerbliche Waren, zum Verkauf angeboten. Ergänzend möchte ich meine Meinung zum Embargo bezüglich landwirtschaftlicher Produkte wie folgt vertreten. Für den Kaliningrader Oblast oder das nördliche Ostpreußen wie bei uns oft fälschlich publiziert, hat es bis dato sehr positive Auswirkungen gehabt. Riesige Obstplantagen wurden angelegt, die Feldwirtschaft wurde angekurbelt, die Tierzucht wurde nicht nur quantifiziert, sondern auch wesentlich qualifiziert, Gewächshausanlagen wurden gebaut, die Bodenmelioration wird wieder verstärkt durchgeführt. All dies merkt man auch in den Kaufhäusern (Magazine - große und kleine), in denen mehr und mehr regionale Produkte in guter Qualität angeboten werden. Private Reisen lohnen, Quartiere in allen Preislagen sind ausreichend vorhanden, die Straßen sind meist gut und wie gesagt es gibt fast alles und mit eigenem Pkw ein bSeckenburg-Boot-Routeesonderes Highlight – 1 Liter Benzin kostet 0,65 € J. Wir beraten Sie gern.

Boot-LandschaftNach den offiziellen Veranstaltungen gönnten wir uns wieder einmal einen Bootsausflug. Mit dem Boot ging es von Seckenburg (Sapowednoje) auf der Gilge, die heute etwas langweilig Matrossowka (Matrose) heißt, über den Seckenburger Kanal (Primorskij Kanal, dann auf dem Nemonienstrom /Wiepe (Njemonin) und weiter auf der Timber bis zu einem verwaisten Fähranleger in der Höhe des ehemaligen Dorfes Franzrode. Von Franzrode existiert nun wirklich nichts mehr, mit Mühe kann am noch Fundamentreste entdecken. Dazu muss man natürlich bereit sein durch Brennnesseln zu stapfen und begleitend von Mücken und Bremsen attackiert zu werden. Haben wir aber gemachtL. Wesentlich ist aber, man fährt durch eine malerische Flusslandschaft, hin und wieder sieht man vielleicht Angler, die Flüsse mit ihren Wasservögeln gehörten uns. Auf dem Fähranleger versuchten wir zu angeln, Besucher vor uns hatten Geräte zum Grillen sowie selbstgebastelte Sitzgelegenheiten mit Tisch hinterlassen. So haben wir nach einem rustikalen Picknick mit gegrillten Würstchen gestärkt den Rückweg angetreten. An der Flusskreuzung Gilge/Seckenburger Kanal machten wir noch einen Abstecher nach Gilge (Matrosowo) bis zum Kurischen Haff. In Gilge kann man sogar in der Pension bei Frau Elena Ehrlich oder einem neuen Hotel übernachten. Kleiner Tipp: Die Karten von Blochplan (hier Nordostpreußens Norden) sind mit ihren deutschen und russischen Ortsnamen (alte und neue Namen) eine wichtige Orientierungshilfe.

Im Beitrag von G. Bastemeyer erfahren Sie auch, wie herrlich unser Ostpreußen selbst im Winter ist. Mallorca, Ägypten, Türkei oder Thailand kann doch jeder. Im Februar 2020 könnten wir uns treffen!

Paka – bis bald, wie der Russe zum Abschied sagt!
 Ihr Wolfang Nienke – Webmaster und neuerdings Kirchspielvertreter für die Haffdörfer Inse –Tawe –LoyeFolkloregruppe
Karte: Blochplan  Nordostpreußens Norden
BrotangeboteVerschiedene HonigsortenGemüse

Barbara Dawideit & Eduard Kondratow & Igor Rudenkow (verdeckt) geben den Weg frei

Gruppenfoto vor dem Hufeisenelch des Künstlers A. Mikschta nach der feierlichen Einweihung

Die Gilge bei Seckenburg

Vor der Austellung unseres Kreises mit W.Nienke, B.Dawideit, N.Mikschtat, L.Lobakina; A.Mikschtat

Meine Winterreise in die Elchniederung

Seit Jahren ist in mir der Wunsch gewachsen, das Land meiner Vorfahren einmal im Winter zu erleben, bei Schnee und Eis. Ich habe mich deshalb riesig gefreut, dass miDer Hufeisen-Elch noch vor dem winterlichen Anwesen von Nadja und Alik Mikschta in Slawsk (Heinrichswalde)ch Bärbel Dawideit und Wolfgang Nienke im Auto mitgenommen haben.

Am 1. Februar 2019 morgens um 5.30 Uhr ging das Abenteuer in Tellschütz- Zwenkau bei Leipzig los. Ich hatte mir wegen des Winterwetters Sorgen gemacht, aber die Straßen waren überall geräumt und frei, in Deutschland, in Polen und in Russland. Über Walcz (früher Deutsch Krone) und Jastrow ging es immer weiter Richtung Osten. Im früheren Schlochau machten wir Pause in einem sehr schönen Restaurant. Ich habe dort Kartoffelpuffer mit saurer Sahne gegessen und leckeren Cappuccino getrunken.  Bei Grzechotki (Mamonowo II/Heiligenbeil) haben wir die polnisch- russische Grenze problemlos schnell hinter uns gebracht. Erst auf dem letzten Stück der Fahrt, kurz vor Heinrichswalde, wurde die Straße winterlich glatt. Und so kamen wir nach 12 1/2 Stunden Fahrt um 16 Uhr MEZ und 17 Uhr Heinrichswalder Zeit, in Slawsk, dem ehemaligen Heinrichswalde, im heutigen Oblast Kaliningrad, an. Unser Quartier bei Nadja und Alik liegt in unmittelbarer Nähe des Krankenhauses von Heinrichswalde in einer ruhigen Nebenstraße. Wir wurden wieder wunderbar von Nadja bewirtet, wie schon bei meinem Besuch im Jahr 2015. Gegen meinen Husten bekam ich sofort einen Lindenblütentee mit Honig.Kirchenschiff Heinrichswalde. Gesehen von der Holztreppe.

Die Zeit ist uns hier in Slawsk um eine Stunde voraus. Wir warteten am Abend dieser langen Tagesreise noch bis um Mitternacht auf Dieter Wenskat, den Kirchspielvertreter für Kreuzingen und Gowarten, der eigentlich zeitgleich mit uns ankommen wollte. Wir hatten keine Nachricht von ihm und machten uns große Sorgen.

Am nächsten Tag hatten wir uns mit Lidia, unserer Dolmetscherin, und mit Wladeslaw Kent, dem Leiter des Museums, in der ehemaligen Friedrichstraße verabredet. Herr Kent zeigte uns seine Schätze, von der alten Schulbank über steinerne Kanonenkugeln (gefunden bei Kaukehmen/Kuckerneese) bis zu Brotkarten und anderen Dokumenten des 20. Jahrhunderts aus deutscher Zeit. Anschließend waren wir in der nahegelegenen Kirche, in der mein Großvater Ernst Loerke 1878 getauft wurde. Vom Wohn- und Geschäftshaus seiner Eltern, des Kaufmanns Louis Loerke und der Köllmertochter Friederike Lessing, in der Friedrichstraße Nr. 66, musste man nur über die Straße gehen - schon war man am großen Eingangsportal der evangelischen Kirche. In der Kirche steige ich mit Herrn Kent die  Holztreppe nach oben. Der Blick auf das Kirchenschiff in seiner ganzen Größe ist überwältigend, aber danach habe ich Angst, nie mehr nach unten zu kommen auf dieser wackeligen "Hühnerleiter".

Es wird zum zweiten Mal Abend seit unserer Ankunft in Heinrichswalde. Unser Dieter ist immer noch nicht da. Unsere Sorgen werden immer größer. Letzte empfangene Nachricht: man lässt ihn mit seinen vielen Hilfsgütern nicht nach Russland einreisen. Seit 1. Januar 2019 darf man nur noch 25 kg pro Person nach Russland einführen- und das inklusive eigenem Gepäck! Dann steht Dieter kurz vor 20 Uhr strahlend in der TürGottesdienst. Mit Honigschnaps und süßem Sekt begießen wir unser aller Erleichterung.

Die Folge bei mir am nächsten Morgen: Ein Brummschädel. Um 10 Uhr sind wir zum Gottesdienst im Gemeindehaus in der Leninstraßeeingeladen. Er wird von Lidia Lobakina und Wolfgang Nienke gestaltet und mit Musik untermalt, gespielt von der ehemaligen Direktorin der Musikschule. Mir fällt auf, wie sauber und adrett die Heinrichswalder gekleidet sind. Ich werde an meine Kindheit und alte Fotos von damals in "Sonntagskleidung" erinnert. Mir wird zum ersten Mal bewusst, dass diese Zeit bei uns vorbei ist. Bezüglich der Kleidung 1 Heinrichswaldegeht es bei uns in Deutschland doch recht lässig zu, mit Ausnahme von besonderen Festlichkeiten. Nach dem Gottesdienst tagt der Kirchenverein. Von den 37 Mitgliedern sind 13 anwesend. Danach sind wir zu einem kleinen Imbiss eingeladen. Auch hier in der Küche des Gemeindehauses alles supersauber und ordentlich.

Um 15 Uhr geht unser Programm weiter. Wir fahren zum Kaffeetrinken zu Schwester Barbara und Schwester Helena in das Kinderheim in der Offiziersstraße. Sie leben dort noch mit 6 Kindern zusammen. Die anderen sind inzwischen schon selbständig und ausgezogen.

Am nächsten Morgen, dem 4. Februar 2019, ist alles weiß. Über Nacht sind 15 cm Neuschnee gefallen. Auf meinen Wunsch hin machen wir uns auf die Suche nach der einstigen Mennonitenkirche der Memelniederung in Adlig Pokraken. Die Kirche lag malerisch in einem Bogen der Schalteik (Große Selse) im Ort Grietischken, der von 1938 bis 1945 Grieteinen genannt wurde. Schon seit dem Jahr 1831 trafen sich die Mennonitenkirche Gutshs Adl PokrMennoniten hier zum sonntäglichen Gottesdienst, parallel dazu auch in Plauschwarren. Seit 1893 fanden die Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen der Mennoniten der Memelniederung und der sonntägliche Gottesdienst nur noch in Adlig Pokraken statt.

Heute ist dort nichts mehr vom ehemaligen Gotteshaus zu sehen. Wir halten auf der Straße, die nach Pokraken (Weidenau) führt, und stapfen auf der linken Straßenseite durch einen Graben und hohen Schnee. 1948 hat die Mennonitenkirche noch gestanden. Niemand weiß, wann sie endgültig verschwand, wann der letzte Stein abtranEv Kirche Pokrakensportiert wurde und mit ihm ein wichtiges Kapitel der Geschichte der Mennoniten, die sich aus der ganzen Memelniederung hier regelmäßig mit ihren Pferdefuhrwerken einfanden.

Weiter geht es nach Pokraken, von 1938-45 Weidenau und heute Leninskoje genannt, zur Ruine der evangelischen Kirche. Sie also steht wenigstens noch. Ich habe eine besondere Beziehung zu ihr, denn mein Ur- Ur- Großvater Johann Albert LEPA (1825 - 1892) war hier nicht nur 38 Jahre lang königlicher Schullehrer, sondern auch der erste Präzentor der Kirchengemeinde Pokraken. Er soll maßgeblich zum Bau dieser Kirche beigetragen haben, deren Vollendung er nicht mehr erlebte. Das Kirchendach ist schon lange eingestürzt, der Rest hält sich beharrlich und sieht schneebedeckt heute malerisch aus, umgeben von weißgepuderten Bäumen.

Zurück in Heinrichswalde, gehe ich nachmittags mit Bärbel Dawideit auf eisglatten Wegen in Richtung der ehemaligen Friedrichstraße, an der damals wie heute fast alle Geschäfte des Ortes liegen. So ähnlich wie im heutigen Slawsk wird es im Winter auch damals in Heinrichswalde ausgesehen haben, als mein Großvater, der spätere Oberkonsistorialrat Ernst Loerke (1878 - 1947), als kleiner Junge, der viel zu früh beide Eltern verloren hatte, hier entlangging.

Autos-Sturmwarner-2         7 Inse Kurisches Haff 5.2.19      Eisschollen

Am nächsten Morgen wird es abenteuerlich. Wir fahren mit unserem Gastgeber Alik Miksta in seinem Ford- Bus zum Kurischen Haff. Es geht über Brittanien und die Gilgebrücke bei Sköpen. Dort steht keine Wache mehr, aber es kann jetzt im grenznahen Bereich überall Kontrollen geben! Wir sehen Militär an uns vorbeifahren, werden in dem Auto mit russischem Kennzeichen jedoch nicht kontrolliert. Vorbei geht es an Kaukehmen (Kuckerneese), an Wolfgang Nienkes Heimatort Kallningken (Herdenau), der früher von der Kirche auf ihrem Hügelchen neben der Straßenkreuzung beherrscht wurde. Heute liegen dort nur noch wenige traurige Mauerreste. Dann kommen wir im Elchwald vorbei am "Jagdschloss" Pait, das leider wohl wieder dem Verfall preisgegeben ist, nachdem sich Jürgen Leiste von dort zurückgezogen hat. Einsam und malerisch liegt es in der Einsamkeit, aber auch die Schneedecke kann nicht darüber Gaby im Schilfhinwegtäuschen, dass eins der Dächer nicht mehr dicht ist.

Dann kommen wir in Inse an, parken nahe am Schilf noch hinter dem Sturmmast, wo Autos im Sommer gar nicht mehr fahren können. Jetzt stehen dort auf der gefrorenen Fläche die Autos der Eisangler. Von der Schönheit der Landschaft sehe ich zunächst nichts, denn auf dem vereisten Weg ist es spiegelglatt und mir zudem etwas unheimlich. Wir sehen Anhäufungen von übereinandergeschobenem Eis und in weiter Ferne auch die Eisangler als kleine Punkte in der Landschaft. Erst auf dem Rückweg genieße ich, ziemlich erleichtert, die magische, fast schon mystische Stimmung dieses Wintermorgens mit einer fahlen Sonne, die sich über der unendlichen Weite im Eis des zugefrorenen Haffs spiegelt. Es ist ein unvergessliches Erlebnis für mich! Als wir durch das Fischerdorf Inse fahren, zeigt mir Bärbel Dawideit den Fundort des Taufsteins aus der Kirche von Inse, der heute in Heinr8 altes Hebewerk bei Rogainen 5.2.19ichswalde im Gemeindehaus steht.

Das Abenteuer geht weiter. Auf der Suche nach einem Elch oder wenigstens Elchspuren fahren wir wieder über Groß Krauleiden zurück und halten dann beim ehemaligen Hebewerk von Rogainen/ Forstamt Sibirien. Die Straße liegt auf einem angeschütteten Damm. Es ist sogar auf der Straße anstrengend, im Schnee zu Fuß voranzukommen. Wir sehen keinen Elch. Ich kehre vorzeitig um und lasse die Einsamkeit der Landschaft auf mich wirken. In Höhe des Hebewerks steht ein Fischreiher malerisch am Wasser.

Auf dem Rückweg nach Slawsk halten wir noch kurz bei der ehemaligen Schule von Bogdahnen. Sie ist auch im Schnee ein hübsches Fotomotiv mit dem Brunnen vor der Haustür und dem Friedhofshügel gleich nebenan. Eigentlich unfassbar, dass sie fast 75 Jahre nach Kriegsende so gut erhalten ist und unerschütterlich dort steht.Elchsucher

Am nächsten Tag, dem 6. Februar, brechen wir noch einmal hoffnungsvoll auf zur "Elchpirsch". Dieses Mal geht es in das Große Moosbruch. Fahrt über Klemenswalde, Neusorge (Maskoje) und Groß Friedrichsdorf und dann weiter über Liedemeiten (Gerhardsweide im Kirchspiel Kreuzingen, heute Ochotnoe) nach Osseningken (Grünau). Vor einem auffallend schönen alten Haus, 1912 erbaut, treffen wir einen Armenier, der dort wohnt und Jäger ist. Er gibt unserem Fahrer und Führer Alik Tipps für die Suche nach Elchspuren. Dieter Wenskat meint, das hübsche Haus sei früher das Haus des Bauern Buttkus gewesen.

Bei Wasserburg gehen wir Fünf - Barbara Dawideit, Wolfgang Nienke, Dieter Wenskat, Alik und ich - auf einem verschneiten Damm in den Wald. Ich kehre nach einer halben Stunde um und warte im Wagen auf die eifrigen "Jäger". Nahe Lauknen (Hohenbruch, heute Gromowo) halten wir dann noch einmal. Alle kommen wieder erfolglos zurück; ich beobachte derweil vom Auto aus einen Schäferhund, der auf sein Herrchen odElchvertrager sonst etwas Nettes zu warten scheint, mitten auf der Straße. Im Naturschutzgebiet des Großen Moosbruch starten wir für heute unseren letzten Versuch, marschieren wieder durch den Schnee, neben uns Moor, Birken und Gesträuch. Nur kein Elch! Wir gehen bis zu einem Hochsitz und schönen bunten Schautafeln zur Geschichte dieser Region und Landschaft, mitten in der Einsamkeit.

In Gromowo fahren wir noch beim Moosbruchhaus von Jürgen Leiste vorbei. Wir haben Glück, ihn anzutreffen, denn er wollte gerade aufbrechen.

Das Thema Elch verlässt uns nicht. Am nächsten Tag, dem 7.Februar, wird der lebensgroße Elch, der von Alik Miksta aus unzähligen in der Elchniederung gefundenen Hufeisen geschaffen wurde, in einem feierlichen Vertrag den Bewohnern der Gemeinde Slawsk übergeben. Anschließend werden wir vom Landrat des Rayon Slawsk zum Festessen im Bankettsaal seiner Gaststätte eingeladen, die in Sichtweite der Kirche liegt. Abends geht es feierlich weiter, denn Wolfgang verwöhnt uns mit einem Risotto.

10 Übergabe des Elchs

Am Freitag fahren wir über Tilsit entlang der Ragniter Straße, wo meine Urgroßmutter Maria Lepa geb.Schulz (1860-1946) nach ihrer Scheidung vom Arzt Lepa ein recht armseliges Leben führte und am Fenster zur Straße hin Socken zur Aufbesserung ihres Lebensunterhalts strickte, nach Ragnit. Im "Deutschen Haus" geht es in den großen Räumlichkeiten recht übersichtlich zu. Außer uns lassen es sich nur zwei junge Russinnen dort gutgehen. Ich genieße meine Blinis und einen Cappuccino. Gegenüber vom "Deutschen Haus" besuchen wir einen kleinen Kaufmannsladen. Vom Embargo der EU ist nichts zu spüren. Es scheint hier wie auch in Slawsk in den neuen Supermärkten alles zu kaufen zu geben. Es sieht eher so aus, als ob im Land die Chance genutzt wird, in mehr Eigeninitiative neue wirtschaftliche Möglichkeiten auszuschöpfen. In Ragnit sind die Straßen noch vereister und glatter als in Slawsk. So schleiche ich die wenigen Schritte zum rettenden Auto zurück. Natürlich besuchen wir wieder einmal die Burgruine Ragnit. Im Schnee kannte ich das geschundene, immer noch eindrucksvolle Bauwerk, noch nicht. Der große neue Grenzübergang bei Ragnit liegt weiterhin ungenutzt brach.

Deutsches Haus    Magazin Ragnit     Ruine Ragnit

Am Samstag, den 9. Februar 2019, geht es zurück nach Hause. Um 5.40 Uhr russischer Zeit (4.40 Uhr MEZ) starten wir, warten 1 1/4 Stunden an der russisch- polnischen Grenze und kommen nach 13 Stunden wieder gut in Zwenkau bei Barbara Dawideit an. Am nächsten Morgen fahre ich von dort Richtung Lüneburg. In Artlenburg habe ich dann Zeit, ein Resumée dieser 9 Tage in der winterlichen Elchniederung zu ziehen. Trotz meiner ständigen Hustenanfälle, unter denen aber vor allem meine armen Mitreisenden zu leiden hatten, war es ein tolles Erlebnis für mich!

Gabriele Bastemeyer, Ginsterweg 37, 21380 Artlenburg, Tel. 04139 - 7364          Bastemeyer@t-online.de
Fotos: G.Bastemeyer u. H.W.Nienke

Kirchenschiff Heinrichswalde. Gesehen von der Holztreppe.

Lidia Lobakina u. Wolfgang Nienke beim Gottesdienst

Slawsk (Heinrichswalde) mit Neuschnee Februar 2019

Mennonitenkirche in Adlig Prokaken um 1930

Kirchenruine in Leninskoje (Weidenau/Prokaken)

Inse mit Sturmmast und Autos der Angler auf dem Eis

Kurisches Haff bei Inse mit Eischollen, die in drei Barrierewellen vor der Küste entstehen

Blick auf das Kurisches Haff bei Inse

Autorin Gabriele Bastemeyer im Schilfbereich
auf dünnem Eis des Haffes vor Inse (Pritschaly)

Altes aber funktionierendes Hebewerk
 bei Rogainen

Vertragsunterzeichnung zur Schenkung des Hufeisen-Elches von der KG „Elchniederung“ e.V. an den Rajon Slawsk durch Bürgermeister Kondratow und Geschäftsführerin Barbara Dawideit

Teilnehmer bei der Vertragsunterzeichnung. Dabei Bürger der Stadt, der Schaffer des Elches Alik Mikschta (vor der Säule rechts), Landrat Rudenkow
 (rechts neben B. Dawideit), Bürgermeister Kondratow (links neben B. Dawideit) Vertreter der Duma in Moskau (r. mit Bart) und Kaliningrad (ganz rechts).

Ragnit (Neman) Gasthof mit Käsemanufaktur und Verkauf

Ragnit. Kleines Magazin (Lebensmittel) gegenüber vom Deutschen Haus

Burgruine in Ragnit (Neman)
Deutschordensburg um 1400 erbaut

Elchsucher - v.l. Dieter Wenskat, Gabriele Bastemeyer, Barbara Dawideit und Wolfgang Nienke

Der Hufeisen-Elch noch vor dem winterlichen Anwesen von Nadja und Alik Mikschta in Slawsk (Heinrichswalde)

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Reiseberichte ab 2019

Wappen des Kreises Elchniederung
Die Kirche im Kreisort Heinrichswalde